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13.02.2002Neue Zürcher ZeitungRobert TurnheerSchnarchen als Zeichen für eine Krankheit

Schnarchen als Zeichen für eine Krankheit

Das Schlafapnoesyndrom kann behandelt werden

Von Robert Thurnheer*

Obwohl Schnarchen meistens harmlos ist, kann es auch Ausdruck des sogenannten Schlafapnoesyndroms mit potenziell schwerwiegenden gesundheitlichen Auswirkungen sein. Seit 20 Jahren wird diese Störung erfolgreich mit nächtlicher Überdruckbeatmung behandelt. Hat sich der Patient dank dieser Therapie erholt, gilt es als nächsten, wichtigen Schritt, allfälliges Übergewicht zu vermindern.

Schnarchen ist ein meist normales Begleitphänomen des Schlafes. Ab und zu jedoch weist das Schnarchen auf einen erhöhten Widerstand im Bereich der oberen Luftwege hin, was zu einem vorübergehenden Aussetzen der Atmung, einer Verminderung der Sauerstoffsättigung des Blutes, nicht erholsamem Schlaf und sogar zu Bluthochdruck führen kann. In diesen Fällen spricht man vom «obstruktiven Schlafapnoesyndrom», wobei «obstruktiv» eine Widerstandserhöhung der Luftwege und «Apnoe» so viel wie Atemstillstand bedeutet. Häufigstes Symptom, weshalb die Betroffenen schliesslich einen Arzt aufsuchen, ist die vermehrte Schläfrigkeit tagsüber. Die Assoziation von Schnarchen und obstruktivem Schlafapnoesyndrom mit seinen potenziell gesundheitsgefährdenden Auswirkungen ist der Grund dafür, dass sich Hausärzte und Spezialisten seit einigen Jahren intensiv mit der Abklärung und Behandlung von schlafassoziierten Atemstörungen beschäftigen.

Männer schnarchen öfter

Das Schnarchgeräusch entsteht durch Luftturbulenzen und Vibration der Weichteile im Bereich des Mund-Rachen-Raumes. Viele Personen schnarchen nur ab und zu, beispielsweise nach Alkoholkonsum, bei verstopfter Nase oder in Rückenlage. Andere wiederum schnarchen fast jede Nacht und in jeder Körperposition. Wer Militärdienst leistet oder gelegentlich in Berghütten übernachtet, weiss, dass Schnarchen sehr häufig ist. So ergab eine epidemiologische Studie in Wisconsin (USA), dass 28 Prozent der untersuchten Frauen und 44 Prozent der Männer im Alter zwischen 30 und 60 Jahren regelmässig schnarchen. Und immerhin 2 Prozent der Frauen und 4 Prozent der Männer erfüllten die Kriterien für ein Schlafapnoesyndrom.

Weshalb Männer häufiger schnarchen als Frauen, ist bis heute unklar. Diese Tatsache erscheint sogar paradox, wenn man bedenkt, dass Männer die weiteren Luftwege und somit, zumindest im wachen Zustand, einen geringeren Luftwegswiderstand als Frauen haben. Vermutet wird, dass die neurogene Kontrolle über die Schlundmuskulatur bei Frauen im Schlaf besser funktioniert und der geringere Atemfluss die weiblichen Rachenweichteile zudem weniger kollabieren lässt.

Zermürbende Weckreaktionen

Oft werden Patienten durch den beunruhigten Partner, der nächtliche Atemaussetzer bemerkt, zum Arzt geschickt. Zwar besteht kaum je eine akute Erstickungsgefahr. Doch die Atempausen bewirken eine kurze, unbewusste Weckreaktion, sogenannte «micro-arousals», während deren die Atemwege wieder geöffnet werden. Dadurch wird der Schlaf gestört, die Ausschüttung von Adrenalin lässt Puls und Blutdruck ansteigen, und erholsame Tiefschlafstadien werden seltener. Bis fünf Apnoen mit nachfolgender unbewusster Aufwachreaktion pro Stunde Schlaf gelten als noch normal. Bei Patienten, die unter einer schweren Schlafapnoe leiden, können jedoch pro Stunde mehr als 120 Apnoe-Episoden auftreten - damit erwachen sie im Durchschnitt jede Minute zweimal. Je öfter diese Episoden auftreten, desto eher sind die Betroffenen tagsüber schläfrig und leiden unter Kopfschmerzen sowie Konzentrationsstörungen. Besonders gefährlich ist dies für Berufschauffeure, Lokomotivführer und Maschinisten, aber auch Büroangestellten kann wegen Leistungsabfall und Vergesslichkeit der Verlust des Arbeitsplatzes drohen.

Trotz den Atemstillständen erreicht der Sauerstoffgehalt im Blut aber nur selten gefährlich niedrige Werte. Denn auch bei starken Schnarchern funktioniert das Alarmsystem - «leicht absinkender Sauerstoffgehalt», «Weckreaktion des Gehirnes», «Wiedereinsetzen der Atmung» - einwandfrei.

Schnarcht jemand sehr ausgeprägt und leidet unter vermehrter Tagesmüdigkeit, muss mit Hilfe verschiedener Untersuchungsmethoden geklärt werden, ob es sich lediglich um ein «banales» Schnarchen oder aber um eine potenziell krankmachende Schlafapnoe handelt. Denn die Übergänge vom harmlosen Schnarchen, das allenfalls den Partner stört, über milde Formen von Schlafapnoe bis hin zum schweren, beeinträchtigenden Schlafapnoesyndrom sind fliessend. Besteht der Verdacht auf ein Schlafapnoesyndrom, werden die Patienten in der Regel an ein Schlaflabor überwiesen. Eine einfache Schlafuntersuchung, bei der das Atemmuster, der Puls und die Sauerstoffsättigung des Blutes erfasst werden, kann hier ambulant oder teilstationär durchgeführt werden. Kompliziertere Fragestellungen dagegen machen eine ein- bis mehrtägige stationäre Abklärung in einem Zentrum für Schlafmedizin nötig, wo auch die Hirnströme mittels Elektroenzephalogramm erfasst werden. Damit lassen sich die Schlafstadien genau analysieren.

Zuerst behandeln, danach abnehmen

Viele Patienten, die schnarchen oder Schlafapnoen haben, zeigen keine anatomischen Auffälligkeiten des Körperbaus und der Luftwege. Bei anderen jedoch wird die Atmung durch einen ungewöhnlich kurzen Unterkiefer, einen voluminösen Zungengrund, vergrösserte Mandeln oder Fett- und Bindegewebe behindert. Doch auch Schlafmittel sowie Alkohol verstärken durch ihre muskelentspannende Wirkung das Schnarchen. Am häufigsten jedoch führen Übergewicht und grosse Fettdepots im Halsbereich zu einem erhöhten Atemwegswiderstand.

Tatsächlich werden Schnarchen und Schlafapnoen oft durch eine Gewichtsreduktion gelindert. In der Praxis allerdings ist dieser Ansatz nur selten praktikabel: Entweder gelingt es dem Patienten gar nicht erst, Gewicht abzunehmen. Oder aber er legt die verlorenen Kilos im Nu wieder zu. Die Tagesschläfrigkeit raubt den Betroffenen zudem die Energie, sich körperlich zu bewegen - Voraussetzung für eine dauerhafte Gewichtsabnahme. Daher ist es in der Regel sinnvoller, den umgekehrten Weg zu gehen - also zuerst die Schlafapnoe zu behandeln, um allfälligem Übergewicht erst anschliessend zu Leibe zu rücken.

Wer im Internet Behandlungsmöglichkeiten des Schnarchens sucht, kann sich vor Angeboten kaum retten. Neben Nasenpflastern und -klammern, Spezialkissen sowie Anti-Schnarch-Operationen von Nase und weichem Gaumen finden sich auch Tabletten, Pulver und Tropfen, Kieferspangen, Trainingsgeräte für die Rachenmuskulatur, Biofeedbackmethoden und vieles mehr. Der Nutzen der meisten dieser Angebote ist jedoch nicht bewiesen.

Grundsätzlich empfiehlt es sich, auf der Seite zu schlafen. Denn in manchen Fällen tritt Schnarchen nur in Rückenlage auf. Fällt die Umgewöhnung an die neue Schlafposition schwer, helfen oft verschiedene Tricks. So verhindert ein im Rücken placiertes Kopfkissen oder ein auf dem Rückenteil des Schlafanzugs angenähter Tennisball, dass man unbeabsichtigt in die gewohnte Lage zurückrollt.

Nächtliche Überdruckbeatmung

Beim Schlafapnoesyndrom hingegen genügen diese Massnahmen meist nicht. Für diese Patienten empfiehlt sich die seit nunmehr zwanzig Jahren erprobte und erwiesenermassen wirksame Methode der nächtlichen nasalen Überdruckbeatmung, auf Englisch «nasal continuous positive airway pressure», kurz nCPAP. Ein kleines, auf dem Nachttisch placiertes Gerät bläst über einen Verbindungsschlauch Luft mit Überdruck in die oberen Atemwege. Dadurch werden diese offen gehalten und Apnoen wirksam verhindert.

Die Vorstellung, jede Nacht mit einer Nasenmaske, angeschlossen an ein derartiges Gerät, zu schlafen, stösst zuerst bei vielen Betroffenen auf Ablehnung. Tritt der gewünschte Erfolg jedoch ein, sind die meisten Patienten begeistert und gerne bereit, diese Therapie fortzuführen. Denn die zurückgewonnene Frische tagsüber macht die vergleichsweise kleinen Unannehmlichkeiten mehr als wett. Die unterdessen sehr handlichen, leisen und komfortablen Beatmungsgeräte werden von den Betroffenen denn auch auf Auslandreisen oder im Wohnmobil mitgeführt. Seltene Probleme wie Druckstellen durch die Maske oder trockene Nasenschleimhäute lassen sich zudem fast immer beheben.

In einigen Fällen kann nachts auch eine Kieferspange eingesetzt werden, die den Unterkiefer vorschiebt. In den seltenen Fällen, in denen dem Syndrom eine ausgeprägte anatomische Fehlbildung zugrunde liegt, ist ein chirurgischer Eingriff gelegentlich unumgänglich. Eingriffe am weichen Gaumen können das Schnarchen mindern, beheben eine Schlafapnoe aber nur selten. Die Indikation für eine derartige Operation wird wegen teilweise erheblicher Nebenwirkungen und fraglichem Nutzen in den letzten Jahren zunehmend zurückhaltend gestellt.

* Der Autor ist Leitender Arzt für Pneumologie und Leiter des Schlaflabors des Kantonsspitals Münsterlingen (TG).

Neue Zürcher Zeitung, Ressort Forschung und Technik, 13. Februar 2002, Nr.36, Seite 71

Bereich: SchlafstörungenSponsor: Nachtaktivbearbeitet von: merlin