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14.07.2002Neue Zürcher ZeitungDavid HesseLeuchtende Häuser, funkelnde Sterne

Leuchtende Häuser, funkelnde Sterne

Bis zum Herbst will das Zürcher Amt für Städtebau ein neues Beleuchtungskonzept für die Stadt Zürich erarbeiten. Der «Plan Lumière» soll auch die Dark-Sky-Lobby glücklich machen.

David Hesse

Die Limmatstadt erhält ein neues Abendkleid. Im kommenden Herbst will das Stadtzürcher Amt für Städtebau mit Vorschlägen aufwarten, wie das nächtliche Zürich mittels optimierter öffentlicher Beleuchtung in ein urbanes Lichtkunstwerk nach Lyoner Vorbild verwandelt werden soll. Ein gesamtstädtischer «Plan Lumière» soll laut Stadtbaumeister Franz Eberhard dafür sorgen, dass «die Lebensqualität der Stadt auch in der Nacht voll erlebbar ist».

In Lyon, wo ein solcher «Plan Lumière» 1989 erstmals konzipiert wurde, prägen heute über dreihundert eigenwillig beleuchtete Plätze, Brücken, Brunnen und Gebäudefassaden die nächtliche Innenstadt. «Wie das Licht die Struktur der Bauwerke herausarbeitet und jede Brücke Teil des Gesamtkonzepts wird, das hat uns sehr beeindruckt», erzählt Claudia Nielsen, die für die SP im Gemeinderat sitzt. Mit einer Spezialkommission des Hoch- und Tiefbaudepartementes hatte sie Lyon im Spätherbst des Jahres 1999 besucht und anschliessend den Stadtrat in einem Postulat aufgefordert, ein entsprechendes Beleuchtungskonzept für Zürich zu prüfen.

Seit sechs Monaten erarbeitet nun ein Team unter der Leitung des Amts für Städtebau einen eigenen «Plan Lumière». Da ein solches städtisches Lichtkleid eine «eher breite Sache» sei, wird das Team laut Stadtbaumeister Eberhard laufend von Fachstellen wie etwa dem EWZ sowie von unabhängigen Spezialisten beraten. Einer der Spezialisten ist der französische Lichtdesigner Roland Jéol, der bereits entscheidend an der Neuausleuchtung von Lyon mitgewirkt und zudem auch andere Gegenden wie die Jerusalemer Altstadt oder die Ermitage in Sankt Petersburg lichttechnisch in Szene gesetzt hat.

Roland Jéols Bestreben ist es, eine, wie er sagt, «die Architektur respektierende Beleuchtung» zu schaffen. Seine Lampen lassen die Häuser selbst zu Leuchtkörpern werden. In Zürich, wo er sich zur Ausarbeitung des «Plan Lumière» einmal im Monat aufhält, müssten vor allem die Ufer der Limmat, die Altstadt sowie die Aussenquartiere illuminativ aufgewertet werden. Stadtbaumeister Eberhard verweist zudem auf die Limmatbrücken, die momentan noch «zu unregelmässig belämpelt» würden, sowie auf den Bahnhofplatz samt Bahnhofshalle, wo das Licht «zu dominant» sei und «die Qualität des Raumes nicht differenziert genug erlebt» werden könne.

Egal wie dringlich einem ein neues städtisches Lichtgewand erscheinen mag, die 420'000 Einwohner von Lyon zeigen sich laut Roland Jéol in Umfragen überaus zufrieden mit ihrer neuen Stadt. Auch Franz Eberhard ist der Meinung, dass man sich auf die Präsentation des Zürcher Lichtkonzepts durchaus freuen darf. Sogar die schweizerische Sektion der Dark Sky Association, jener internationalen astronomischen Bewegung, die für die Verdunkelung des Nachthimmels und für die Bekämpfung der sogenannten «Lichtverschmutzung» eintritt («NZZ am Sonntag» vom 30. Juni 2002), blickt dem «Plan Lumière» ohne grosse Skepsis entgegen.

«Ein ‹Plan Lumière› verträgt sich durchaus mit einem sternklaren Nachthimmel», sagt Philipp Heck, Präsident von Dark Sky Switzerland. Ein ästhetisch beleuchtetes Nachtleben, sagt er, sei durchaus in seinem Sinn, solange die dazugehörigen Lampen mit den nötigen Blenden ausgestattet seien und ihr Licht nicht nach oben verpuffte. Das Amt für Städtebau ist laut Franz Eberhard in Kontakt mit den Dark-Sky-Aktivisten und nimmt deren Anregungen durchaus ernst.

«Wir werden auf jeden Fall und als Erstes versuchen, die Lichtverschmutzung auf dem Platz Zürich einzudämmen», sagt Roland Jéol, der lange in Italien gearbeitet hat, wo die Lichtverschmutzung ein echtes Problem und die Dark-Sky-Lobby sehr präsent ist. «Die Stossrichtung dieser Bewegung ist begrüssenswert», sagt Jéol, «auch wenn ich versucht bin zu sagen, dass sie von einem zuweilen irritierend exzessiven Eifer beseelt ist.»

Vor dem «Plan Lumière» aber brauche sich niemand zu fürchten. «Unser Lichtkonzept soll das allgemeine Wohlbefinden steigern und niemanden provozieren», sagt Roland Jéol. Ein Brückenschlag also, zwischen funkelnden Sternen und leuchtenden Häusern.

NZZ am Sonntag, Ressort Schweiz, 14.Juli 2002, Nr.18, Seite 10

Bereich: AlltagSponsor: Nachtaktivbearbeitet von: merlin