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12.12.2002Neue Zürcher ZeitungWw.Reform des deutschen Ladenschlussgesetzes

Reform des deutschen Ladenschlussgesetzes

Vereinheitlichung beim Abendverkauf

Ww. Berlin, 11. Dezember

Das Kabinett der rot-grünen Regierungskoalition hat am Mittwoch einen Entwurf zu einigen bescheidenen Änderungen im Ladenschlussgesetz verabschiedet, das Verfahren der Gesetzgebung soll in den ersten Monaten 2003 abgeschlossen werden, so dass eine Inkraftsetzung noch vor Ostern nächsten Jahres möglich erscheint. Der Bundesrat muss zum Gesetzesentwurf bloss angehört werden, er kann im Bedarfsfall von der Mehrheit der Regierungsparteien im Bundestag überstimmt werden.

Bei der vorgesehenen Entrümpelung des Ladenschlussgesetzes handelt es sich um kaum mehr als um eine ĞMiniğ-Reform. Immerhin kommt es nach jahrelangem Stillstand wieder zu einem kleinen Schritt in Richtung von mehr Liberalisierung. Der Entwurf sieht erstens eine Vereinheitlichung der normalen Ladenöffnungszeit an Werktagen von 10 Uhr am Morgen bis 20 Uhr am Abend vor, zurzeit gilt an Samstagen ein Ladenschluss um 16 Uhr. Gestrichen wird, zweitens, die Sonderregelung für die Samstage vor verkaufsoffenen Sonntagen. Schliesslich wird, drittens, das Coiffeurgeschäft ganz aus dem Ladenöffnungsgesetz herausgenommen, womit die Arbeit des Haareschneidens den Tätigkeiten anderer Handwerker gleichgestellt wird.

Dass nur diese marginale gesetzliche Korrektur vorgeschlagen wird, ist wahrscheinlich vor allem auf den Druck der Gewerkschaften zurückzuführen. Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di kündete denn auch bereits Widerstand gegen diese Reform an. Demgegenüber forderten nicht nur Politiker der Opposition, sondern auch solche aus Regierungskreisen sowie die Wirtschaft eine viel weiter gehende Liberalisierung der Ladenschlusszeiten. Das trifft z. B. für den Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) zu, der eine vollständige Freigabe der Ladenöffnungszeiten an Werktagen, nicht aber an Sonn- und Feiertagen, verlangt hat. Der Hauptverband des deutschen Einzelhandels (HDE) begrüsste seinerseits den Regierungsvorschlag unter den gegebenen Umständen als eine pragmatische Lösung.

In der Tagespraxis wird die Rahmenvorgabe des Ladenschlussgesetzes ohnehin durch viele örtliche und andere Sonderregelungen durchlöchert, was eigentlich für eine weitergehende und vereinfachende Liberalisierung spräche. Der Detailhandel sollte letztlich die Möglichkeit haben, bei den Öffnungszeiten die eigenen spezifischen Stärken auf das jeweilige Konsumentenumfeld abzustimmen. Auffallend ist in Deutschland das grosse Gefälle zwischen kleineren Orten und ländlichen Gebieten einerseits und grossstädtischen Agglomerationen anderseits. Bei Ersteren gibt es während fünf Wochentagen kurz nach 18 Uhr und am Samstag nach 14 Uhr ohnehin kaum mehr Einkaufsmöglichkeiten, während in den Letzteren der Ladenverkauf von frühmorgens bis spät in die Abendstunden zunehmend an Bedeutung gewinnt. Dies gilt besonders für die Einkaufszentren in und unter Bahnhöfen und für die weitläufigen Kioske von Tankstellen.

Neue Zürcher Zeitung, Ressort Wirtschaft, 12. Dezember 2002, Nr.289, Seite 25

Bereich: LadenschlussSponsor: Nachtaktivbearbeitet von: merlin