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15.11.2002Nachtaktivbd.Nacht-S-Bahnen und -Busse am Wochenende

Nacht-S-Bahnen und -Busse am Wochenende

Öffentlicher Verkehr rund um die Uhr

In der ersten Morgenstunde des 15. Dezembers, des Tags des internationalen Fahrplanwechsels, werden 4 S-Bahn- und 32 Bus-Linien des Zürcher Verkehrsverbunds den Nachtbetrieb aufnehmen. Die neue Leistung ist für Freitag und Samstag sowie vor Feiertagen vorgesehen und wird mit Zuschlag, begleitet und kostendeckend angeboten.

bd. Ab Sonntag, dem 15. Dezember, will der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) «nachtaktiv» werden und damit an Freitag- und an Samstagabenden sowie vor Feiertagen eine Lücke im Angebot des öffentlichen Verkehrs schliessen. Künftig soll es, wie ZVV-Direktor Franz Kagerbauer an einer Medienkonferenz ausführte, zwei Netze geben. Während der Betrieb am Tag, bei einem in den letzten Jahren gestiegenen Kostendeckungsgrad von 58 Prozent, rund eine Milliarde Franken erfordert, sind für die Nacht vier Millionen budgetiert. Ein zwölf Stunden gültiger pauschaler Zuschlag von 5 Franken pro Nacht soll die vom Verkehrsrat geforderte Kostendeckung der neuen, zur Verhütung von Unfallen unter Alkohol und Drogeneinfluss beitragenden Dienstleistung sichern.

Neue Linien - 850 Haltestellen

Unter dem Eindruck eines sehr erfolgreichen Nacht-S-Bahn-Zuges Basel-Olten geht der ZVV davon aus, dass das Interesse am Nachtnetz rasch steigen wird. In den letzten zehn Jahren habe sich Zürich über die Landesgrenzen hinaus einen ausgezeichneten Ruf als «Party-Stadt» erworben. Zurzeit existierten rund 50 Kinos, Konzert- und Theaterangebote sowie über 400 «Nachtcafes». Im Jahr 2000 hat eine Marktforschung ergeben, dass an einem durchschnittlichen Wochenende zwischen 1 und 4 Uhr früh 120'000 Personen von ihrem Ausgang in Zürich oder Wintertbur nach Hause fahren. Vor allem jüngere Interessierte fanden das bisherige Angebot des ZW wenig «geil». Mit Ausnahme einer Anzahl kaum koordinierter Nachtbusse war der öffentliche Verkehr nach Mittemacht praktisch inexistent. Die Fernsteuerung und Automatisierung des Zugsverkehrs erlaubt die Führung von Nachtzügen ohne Personal zur Bedienung der Stellwerke in den Bahnhöfen. Im ersten Jahr erwartet der ZVV eine Steigerung der Nachfrage nachts von heute 4000 auf 10'000 Fahrten an den Wochenenden. 4 S-Bahn- und 32 Bus-Linien werden 850 Haltestellen bedienen und gut 80 Prozent der Gemeinden im Kanton sowie 6 Gemeinden ausserhalb erschliessen. Nach Winterthur wird im Stunden-, am rechten Zürichseeufer, im Zürcher Oberland und im Limmattal im Zweistundentakt gefahren. Darauf abgestimmte Buslinien sollen für die Feinverteilung sorgen. Als nächtliche Verkehrsknoten werden Bellevue, Bahnhof Stadelhofen, Central/Zürcher Hauptbahnhof, Escher-Wyss-Platz/Hardbrücke und der Bahnhof Wintertbur genannt. Aus wirtschaftlichen Gründen sind die Routen der Nachtangebote nicht mit jenen am Tag identisch.

Laut Projektleiter Hans Wälty gehören Jugendliche von 16 bis 25 Jahren zu den Hauptzielgruppen des ZVV-Marketings der nächsten fünf Jahre.

Mit «Junggebliebenen» zusammen, die einen jugendlichen Lebensstil pflegen, komme man im Kanton auf rund 200'000 Personen. Umfragen eigten, dass junge Leute den öffentlichen Verkehr strenger beurteilten als der Bevölkerungsdurchschnitt. Das Nachtnetz soll deren Rückreiseproblem beim Ausgang am Wochenende lösen.

Zuschlag für (fast) alle

Mit 3 S-Bahn-Kompositionen und 39 Bussen, die zum Teil an die Stelle bisheriger Angebote treten, ist der Mitteleinsatz für das Nachtnetz recht gering. An zwei oder drei Doppelstock-Einheiten pro Zug denkt man, Grossanlässe ausgenommen, vorläufig nicht. Sollte dies notwendig werden, will man häufiger fahren. Das Personal für die Nachtdienste hofft man auf freiwilligem Weg finden zu können. Den Zuschlag von 5 Franken sollen auch Generalabonnenten bezahlen, die sich mit diesem inzwischen recht teuren Fahrausweis vor allem die Schalter- und Automaten-«Besuche» ersparen wollten. Im Rahmen einer Sponsoring-Aktion der «grössten Schweizer Bank» (Eigenwerbung), also nicht der UBS, sind Besitzer der ec/Maestro-Jugendkarte vom Zuschlag ausgenommen.

Einige möglicherweise unterschätzte Probleme dürften sich an den Automaten der Bahnhöfe ergeben, wenn der Zuschlag gelöst werden muss und auf Grund allzu langer Schlangen nicht mehr gelöst werden kann. Jede Komposition ist durch zwei Personen Zugspersonal (und sporadisch durch Bahnpolizei) begleitet, das im Zug den doppelten Preis erhebt. Anfänglich verbilligt werden Multi-Zuschlagskarten verkauft. Reisende ohne gültigen Fahrausweis und Zuschlag zahlen distanzunabhängig 35 Franken anstelle der 60 Franken, die tagsüber von ertappten Schwarzfahrem verlangt werden. Zur weiteren Aufklärung des Publikums hat der ZVV einen Prospekt in einer Auflage von einer halben Million drucken und einen wilden Werbespot drehen lassen.

Bereich: AlltagSponsor: Nachtaktivbearbeitet von: merlin